Demokratie und Tradition
Diese beiden Begriffe scheinen nicht so recht zusammenzupassen. Demokratie ist modern und offen und frei. Die Tradition ist alt, angestaubt und engt nur ein.
Aber ist das wirklich so? Ich lade Dich ein, ein zweites Mal darüber nachzudenken.
Was Demokratie ist
Demokratie ist nicht so leicht zu definieren, weil sie unterschiedlich gebraucht und ausgestaltet wird. Für diesen Artikel verstehe ich unter Demokratie nicht ein konkretes System, sondern eine Überzeugung
Nach G.K. Chesterton (Orthodoxy; IV. The ethics of elfland) besteht sie aus der Annahme,
- dass sich die Menschen selbst regieren sollen und
- dass kein Mensch von diesem Prozess durch die Umstände seiner Geburt (Geschlecht, sozialer Status etc.) ausgeschlossen werden darf.
Was Tradition ist
Chesterton holt dann zum Schlag aus und zeigt, was Tradition ist: Sie ist nichts anderes als „Demokratie ausgedehnt durch die Zeiten“. Tradition bedeutet auf die Menschen zu hören, die vor uns gelebt haben. Genauso wie es falsch ist einen Menschen zum Schweigen zu bringen, weil er – beispielsweise – aus dem Erzgebirge stammt, so ist es falsch die Menschen vor uns mit Missachtung zu strafen, nur weil ihnen der „Fluch der frühen Geburt“ zukam.
Wir müssen also nicht glauben, dass nur weil eine Meinung aus dem letzten Jahrhundert stammt (oder gar aus dem ersten) wir sie nicht beachten brauchen. Genau das tun wir aber. In unserer Fortschrittsgläubigkeit haben wir eine fatale Gleichung aufgemacht: alt = überholt und neu = fortschrittlich. Das mag zwar in mancher Situation zutreffen, aber wer glaubt es sei immer so, der begibt sich auf „antidemokratisches“ Glatteis.
C.S. Lewis nannte diese Einstellung „chronological snobbery“ und meinte eben diese abschätzige Sicht auf etwas, das früher geglaubt, gedacht oder gesagt wurde nur weil es eben früher war. Wecken wir den Demokraten in uns und nehmen wir die Stimmen der Vergangenheit ernst! Dann haben wir die Chance die besten Optionen für die Zukunft zu entwerfen.
Kirche, Demokratie und Tradition
Dieses Prinzip gilt für alle Bereiche des Lebens, sei es Politik oder Familie oder Kleintierzüchterverein.
Wie ist es aber innerhalb der christlichen Gemeinschaft? Die weltweite Kirche Jesu Christi gründet auf der Aussage, dass alle Gläubigen eine „königliche Priesterschaft“ sind. Jeder Gläubige ist geistbegabt. Das ist ein starkes demokratisches Element. Hüten wir uns davor in der Überheblichkeit des Fortschrittsgedankens zu glauben die Stimme der Vergangenheit zum Schweigen zu bringen!
Deshalb müssen wir immer wieder zurück zu den Gedanken unserer Väter und Mütter im Glauben gehen. Paulus verteidigt sich im Römerbrief (z.B. Kap 4) mit aller Macht, er habe etwas Neues erfunden. Nein er geht bis zu Abraham zurück. Die Reformation – so sehr sie auch revolutionär war – schauderte vor dem Gedanken, sie habe Innovation geschaffen. Die Reformatoren nahmen große Mühen und viele Seiten Papier auf sich, um nachzuweisen, dass das neue Evangelium das alte Evangelium ist, dass schon die Kirchenväter geglaubt hatten.
Wehe den Kirchen, die glauben dies nicht mehr zu müssen! Weil ja unsere Gesellschaft schon viel weiter ist. Weil das ja damals nur die Meinung vom Paulus war. Oder, oder, oder. Es könnte sein, dass sie irgendwann feststellen, dass sie längst keine Kirchen mehr sind, weil sie die jahrtausendealte Gemeinschaft der Tradition verlassen haben.
Ja was das Evangelium angeht, gilt sogar die umgekehrte Gleichung: Das alte ist das wahre, schöne und beständige Evangelium und jede Neuerung ist eine Verkehrung:
6 Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, 7 obwohl es doch kein andres gibt. Es gibt nur einige, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren.8 Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. 9 Wie wir eben gesagt haben, so sage ich abermals: Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.
Die Bibel – Galater 1,6-9
In unserer menschlichen Begrenztheit müssen wir deshalb gemeinsam mit unseren Glaubensvätern und -müttern ringen, bei diesem einen Evangelium zu bleiben und dafür zu kämpfen!
Ihr Lieben, da es mich drängt, euch zu schreiben von unser aller Heil, halte ich’s für nötig, euch in meinem Brief zu ermahnen, dass ihr für den Glauben kämpft, der ein für alle Mal den Heiligen anvertraut ist.
Die Bibel – Judas 3